35 Jahre Deutsche Einheit: Die Last der "Blühenden Landschaften", der Gewinn des Friedens und die Lehren von Heute
- TH³

- 3. Okt.
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Heute, am 3. Oktober, blicken wir auf 35 Jahre Deutsche Einheit zurück – ein historisches Wunder, das Ergebnis der friedlichen Revolution von 1989. Es ist ein Tag des Feierns, der ehrlichen Bilanz und der tiefen Dankbarkeit für das, was gelungen ist.
Ein Satz hallt bis heute nach und steht symbolisch für eine gespaltene Wahrnehmung:
"Blühende Landschaften in kürzester Zeit."
Dieses Zitat von Bundeskanzler Helmut Kohl aus dem Jahr 1990 war der emotionale Anker einer politischen Kampagne, die auf überhöhte Erwartungen setzte. Anstatt die Bevölkerung auf eine historische, Generationen übergreifende Kraftanstrengung einzuschwören, wurden schnelle, schmerzlose Erfolge versprochen und die enormen finanziellen Lasten des Aufbaus nicht eindeutig dargelegt und klein geredet.
Die Hypothek der Kommunikation
Die Folge dieser fatalen Kommunikationspolitik war eine tief sitzende Enttäuschung. Trotz der nachweislich verbesserten Lebensumstände und der massiven Investitionen in Infrastruktur, moderne Arbeitsplätze und die Sanierung ganzer Städte in Ostdeutschland, blieb oft ein Gefühl der Ungerechtigkeit und des Nichterreichens zurück. Die gefühlte Lücke zwischen Versprechen und Realität überschattete die tatsächlich hervorragende Leistung beim Aufbau der neuen Bundesländer. Dieser Kommunikationsfehler war die psychologische Hypothek der Einheit, deren Schatten die Wahrnehmung eines gesamtdeutschen Projekts bis heute verzerrt hat.
Die wahre „Dividende“: Friede statt Rüstung
Doch die Einheit brachte einen unschätzbaren, oft "vergessenen Gewinn": die Friedensdividende. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Teilung sank der Verteidigungsetat des vereinten Deutschlands. Ausgaben für Grenztruppen, die Nationale Volksarmee (NVA) und die massiven Kosten für die NATO-Stationierungen und die Lagerung von Waffen in der geteilten Bundesrepublik entfielen oder reduzierten sich drastisch. Das eingesparte Geld – Schätzungen zufolge Hunderte von Milliarden Euro über die Jahrzehnte – konnte in den friedlichen Aufbau des Ostens investiert werden. Deutschland konnte Rüstungsausgaben senken und stattdessen in Straßen, Schulen und Sozialsysteme investieren. Dieser historische Moment des Friedens ist vor dem Hintergrund der aktuellen Weltlage kaum hoch genug zu bewerten.
Die Lehren der Gegenwart
Heute, 35 Jahre später, sehen wir, wie fragil dieser Frieden in Europa ist. Der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Friedensdividende beendet.
Wir erleben die Zeitenwende:
Heute: Massiver Anstieg der Rüstungsausgaben (Sondervermögen von 100 Milliarden Euro), gestiegene Militärhilfe und die Notwendigkeit, Verteidigungsfähigkeit wieder zur Priorität zu machen, um den Frieden in Europa zu sichern. Die Kosten der Unterstützung für die Ukraine und die Aufrüstung sind immense zusätzliche Belastungen für unseren Staatshaushalt.
Der Kontrast könnte nicht schärfer sein: Die friedliche Vereinigung von 1990 – mit der Zustimmung aller ehemaligen Siegermächte – war ein politischer Akt von globaler Tragweite, der uns Jahrzehnte des Friedens und der zivilen Entwicklung ermöglichte. Sie hat uns gezeigt, dass es möglich ist, tief sitzende Konflikte ohne Gewalt zu lösen, wenn alle Beteiligten den Willen dazu haben.
Unabhängig von den damaligen Kommunikationsfehlern: Die Deutsche Einheit ist in Summe ein historischer Glücksfall und ein überwältigender Erfolg.
Wir sind vereint in einem demokratischen Staat. Infrastruktur und Lebensbedingungen sind auf ein Niveau gewachsen, das vor 35 Jahren kaum denkbar war. Die Herausforderungen der Gegenwart – von der globalen Unsicherheit bis zum Klimawandel – sind nun gemeinsame Herausforderungen, denen wir als starkes, geeintes Land besser begegnen können. Die Lehre aus 1990 und 2025 ist: Frieden ist kein Zufall, sondern ein Gewinn, der teuer erkämpft und hart verteidigt werden muss. Die Tatsache, dass wir heute, trotz aller Schwierigkeiten, in einem friedlichen und freien Deutschland leben, beweist, dass der Weg der Vereinigung – des Miteinanders, der Verhandlung und des Aufbaus – der einzig richtige war. Lasst uns heute nicht nur die Mühen der vergangenen 35 Jahre sehen, sondern vor allem die immense Kraft der friedlichen Revolution und das Versprechen einer vereinten Zukunft feiern - in diesem Sinne: "Bleibt gesund, wacker und zuversichtlich" Glückauf & beste Grüße, Thomas Hammel


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